Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Romani in Germania
347 Mitglieder
zum Thema
Was Kaffee bewirken kann ...106
Eine kurze Einleitung: Meine Texte habe ich schon länger auf der…
zum Thema
Wie viel gemeinsame Zeit braucht eine Beziehung?175
Bei diesem Thema habe ich ein Beziehungsmodell im Kopf, bei der beide…
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

Kirchenburgen

****08 Paar
3.313 Beiträge
Themenersteller 
Kirchenburgen
Ein Internetblogg meines Sohnes der einige Zeit in Siebenbürgen verbrachte und nun zurückkehrt.

*Titelbild: Kirchenburg in Heltau/Chisnadie (meine Lieblingskirchenburg)

Es gibt so viele Sachen, über die man staunen kann, wenn man nach Rumänien kommt. Es ist kein langweiliges Land, wie wir „Westler“ oft gerne denken. Wir wissen nur einfach nicht, was dort im wilden Osten los ist, was dort passiert ist, was dort auf sich wartet oder welche Genies dort herkommen. Rumänien verknüpfe ich jetzt auch mit: Paul Celan, den Regisseur Christian Mungiu oder Filmvampir Bela Lugosi.

Als vorbildlicher Lutheraner muss ich aber auch auf die protestantische Geschichte Siebenbürgens hinweisen, das heißt auf die Siebenbürger Sachsen zu sprechen kommen und natürlich deren Heiligtümer: die Kirchenburgen.

Meinem Vater, der vor einigen Monaten zu Besuch nach Rumänien gekommen war, wollte ich dieses wichtige und sehenswerte Kulturgut natürlich nicht vorenthalten und beschloss mit ihm eine Tour durch das „Sachsenland“, also praktisch Süd-Ost-Siebenbürgen, zu machen und ihm zwei, drei Burgen zu zeigen. Ich suchte mir einige Burgen im Internet heraus und wir fuhren mit dem Auto dort hin.



DSC_0310

DSC_0176

DSC_0108


Doch schon die Anfahrt ließ erahnen, dass auch der Rest ein Horrortrip werden würde: Übersät von Schlaglöchern versuchten wir die Straße entlangzukommen ohne dem Auto Schaden zuzufügen. Wir waren beide froh endlich angekommen zu sein, denn uns war von der holprigen und kurvenreichen Fahrt schlecht geworden.

Wir schauten zum Kirchenturm hoch, der sich in einem schrecklichen Zustand befand und gingen zum Burgtor. Dort stand geschrieben, dass man den Schlüssel zur Burg bitte bei einer Famile abholen solle mit deren Hausnummer. Doch dieses Haus konnten wir nur nach langer Suche finden. Ich betrat den Hof und kündigte mich auf rumänisch und deutsch laut an. Plötzlich kam ein sichtlich erregter alter Mann vom Feld und schrie mich an, ich solle sein Grundstück sofort verlassen und den Schlüssel solle ich mir vom Pastor holen. Ich rannte sofort weg, weil er mir immer näher kam und eine Schaufel in der Hand hatte.

„Das ist also ein UNSECO-Weltkulturerbe?“, entgegnete mir mein Vater und ich wurde ein bisschen wütend, dass wir gerade dorthin gefahren waren, weil er jetzt einen schlechten Eindruck über Siebenbürgen hatte.

DSC_0182

Stein/Dacia/Garát

Natürlich ist die Situation nicht bei jeder Kirchenburg so katastrophal wie beim gerade genannten Beispiel und ich habe bestimmt auch einfach Unglück gehabt und der „Vorführeffekt“ hat sich von seiner besten Seite gezeigt.

Es wird einfach immer schwerer diese tollen, aber leider alten und oft maroden Gebäude in Stand zu halten. Viele Sachsen sind bekanntlich nicht mehr vor Ort. Sie leben jetzt seit einigen Dekaden in Deutschland, sind schon etwas älter und kehren höchstens im Sommer in ihre Domizile in Siebenbürgen zurück. Es gibt praktisch keine sächsische Bevölkerung mehr in Rumänien, die eine solche Kirche unterhalten kann. Das Gemeindeleben ist in größeren Orten zwar noch einigermaßen intakt, aber mit steigendem Alter der Restbevölkerung wird sich auch das ändern.

Selbstverständlich stehen mit dem Aus des sächsischen Lebens auch die Pflege und Nutzung der Kirchenburgen vor einem Fragezeichen. Erst im Frühjahr diesen Jahres gab es zwei traurige Vorfälle: Zwei Kirchtürme sind, wegen maroder Bausubstanz und fehlender Instandhaltung, fast komplett eingestürzt. Dabei können diese Bauten auch eine Gefahr für das gesamte Dorf darstellen, wenn sie sich zum Beispiel direkt neben anderen Häusern oder Landstraßen befinden.

Die Kirchen mit ihren Schätzen werden auch des Öfteren Opfer von Kleinkriminalität: Über die Jahren verschwindet die ein oder andere Ausschmückung, ein Kelch oder der vergoldete Kerzenhalter. „Na, diese faulen, stibitzenden Zigeuner!“, höre ich da in meinem Kopf viele Sachsen sich erboßen. Doch eine schöne, restaurierte Kirche mit allerhand Schätzen umringt von Armut ist nunmal kein standhaftes Zukunftsmodell. Und man muss sich klar werden: Eine Kirche, das ist kein Ort ausschließlich für Priviligierte, sondern im Idealfall ein Ort der Zusammenkunft, des Miteinandern, der Solidarität. Zwangsläufig muss, auch wenn das viele Sachsen nicht sehr schätzen, die Bevölkerung vor Ort integriert werden, damit die Kirchenburg auch in 100 Jahren noch steht und kein Anachronismus in einem rumänischen Dorf des Jahres 2016 bleibt. Und das sind in vielen Fällen die Roma.

Modellprojekte für eine solche Integration gibt es: Im kleinen Ort Trappold, unweit von Schäßburg (Sigisoara) wir die Kirche mit Hilfe von EU-Geldern finanziert. Bei der aufwendigen Restauration, die auf der Eigenintiviative eines Ehepaares beruht, werden aber auch die Einwohner miteinbezogen und eingeladen: Die Kirche und der Burghof dient als Treffpunkt, für Kinoabende oder Vorträge. Gleichzeitig gibt es auch, von Freiwilligen betreut, Nachmittagsangebote für Kinder und Jugendliche in den Stuben des Burgrings. Es gibt weitere „Vorreiterprojekte“, bei denen beispielsweise die lokale Bevölkerung in den Restaurationsprozess einbezogen wird und dadurch gezielt gefördert und angetrieben werden zum Beispiel eine Schreinerlehre oder ähnliches anzufangen. Wieder andere Kirchenburgen dienen als einzigartige Seminar- oder Festivalorte, wie die Burgen in Holzmengen (Hosman) oder Bierthälm (Biertan) und helfen der lokalen Wirtschaft, zumindest in den Sommermonaten.

Das Vermächtnis der Sachsen kann also Erhalten bleiben, doch auch nur, wenn man sich der traurigen Realität des Verschwindens der „eigentlichen“ Bevölkerung stellt. Es ist nun mal so, wie es ist und das kann kein Sachse mit seinem Schwelgen vom schönen Verflossenen aufhalten.

DSC_0159

Honigberg/Harman/Szászhermány
Erinnerungen
*****ler Mann
877 Beiträge
Gruppen-Mod 
Na ja,

auch hier bei uns findet man Bauwerke, die von Volksgruppen gebaut wurden, die es heute nicht mehr gibt, oder zumindest nicht mehr in Deutschland.

Wenn diese Bauwerke erhalten werden, dann hat das nichts damit zu tun, ob die Nachfahren der Menshcen, die sie gebaut haben, noch hier leben.

Ähnlich ist es in Rumänien auch. Mit einem wesentlichen Unterschied: Es fehlt einfach das Geld, um historische Bauwerke zu erhalten.
Ich bin gerade dabei, mir ein altes Sachsenhaus in Siebenbürgen zu kaufen, von daher denke ich, dass ich auch einen kleinen Einblick habe.
Da sind zum Einen viele leerstehende Gebäude von den Menschen, die nach der Revolution nach Deutschland ausgewandert sind. Es bestehen dennoch Besitzverhältnisse, viele behalten Haus und Grundstück aus den unterschiedlichsten Gründen, obwohl sie sicher sind, dass sie nicht mehr zurück wollen.
Die die da geblieben sind, haben oft nicht die finanziellen Mittel, um den Verfall der Häuser dauerhaft aufzuhalten. Diese dann auch noch fachgerecht zu sanieren, darüber brauchen wir gar nicht erst reden.

Das Haus, das ich kaufe, ist glücklicherweise noch in einem fast orginalen Zustand. Das Hauptgebäude ist noch ganz annehmbar, bei den Nebengebäuden ist sehr viel zu tun. Die Vorbesitzerin hat es von der Oma geerbt und leicer auch viel zu lange ungenutzt verfallen lassen. Sie lebt in Deutschland und ist sich erst im letzten Jahr bewusst geworden, dass sie die Immobilie nur retten kann, wenn sie diese abgibt.
Für mich als ehemaliger Bautechniker eine Chance, mal wieder in den alten Beruf einzusteigen und das Haus fachgerecht zu sanieren, mit den Materialien, mit denen es vor ca. 100 Jahren gebaut wurde.

Aber es ist auch nicht so, dass es keine Bemühungen gibt, die alte Bausubstanz zu erhalten.
So gibt es einen eigenen Lehrstuhl der Universität von Bukarest, die sich z.B. in Sibiu mit der Erhaltung der alten Bauten beschäftigt.
Die TU Berlin hat ebenfalls ein Projekt zur Entwicklung einer Strategie zur Erhaltung der Siebenbürger Kirchenburglandschaften durchgeführt.
Es gibt den MET, den Mihai Eminescu Trust, zu deren Mitgliedern z.B. auch Prinz Charles gehört, die sich mit der Erhaltung der Siebenbürger Baukultur beschäftigen. Schwerpunktmäßig haben die in Weißkirch schon viele Gebäude fachgerecht saniert. Dort gibt es auch die von Dir beschriebenen Ausbildungsmöglichkeiten in den alten Gewerken.

Fakt ist, dass man wohl nicht alle schützenswerten Gebäude erhalten kann. Fakt ist aber auch, dass es Bestrebungen aus mehreren Richtungen gibt, die das zu tun versuchen.
Wenn die Westeuropäische Holzmafia das Land nicht vollkommen ausplündert, dann besteht noch Hoffnung, Rumänien zu einem Land des sanften Tourismus werden könnte, mit deren Hilfe dann auch mehr für die Erhaltung der Bauwerke getan werden kann.

Schon heute ist es möglich in Weißkirch, bzw. im Umkreis von Schäßburg Ferienwohnungen in liebevoll restaurierten Sachsenhäusern zu buchen.

Fred
**AG Paar
5.306 Beiträge
Gruppen-Mod 
Wir können nur Fred zu stimmen.
Es gibt viele Häuser die gemietet werden können.
Auch wir werden uns hier was kaufen und umbauen.
OK wir haben hier natürlich Hilfe der Familie.
Es kann sein das wir mit den Eltern ein große
Gehöft holen werden. Wo die Familie mit drin Leben
kann.
Erhaltung ist immer Schwierig.
Fördergelder der EU gibt es. Die Repser Burgruine ist
mit der EU Renoviert worden und ist jetzt nach 6 J.
ein Ausflugsziel geworden.

Burgkirche Viscri ist UNESCO Weltkulturerbe.
Schirmherr des Fördervereins ist Prinz Charles.
Er ist auch Regelmäßig hier. Das wissen wir
da es gerade mal 6 km von uns Entfernt liegt.

Du kannst auch sehen, alle Häuser die eine blaue Kachel
mit goldener Krone haben liegen unter seiner Herrschaft.
Auch er hat dort sein Domizil und lebt recht einfach.
Warum der Ort wird nur in Standgehalten und renoviert.
Neues wird es nicht geben, sonst gibt es kein UNESCO mehr.

lg
Corinna und Andreas
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.